Polydaktylie - was hat es mit den extra Zehen auf sich?
Polydaktylie (abgekürzt auch Poly genannt) ist eine vererbte anatomische Besonderheit, die oft bei Maine Coon Katzen vorkommt, aber auch bei anderen Katzen, Menschen, Hunden, Meerschweinchen und Vögeln. Der Begriff stammt aus dem griechischen und wird aus „Poly“ (viele) und „Daktylos“ (Zehen oder Finger) zusammengesetzt.
Normalerweise hat eine Katze 18 Krallen, fünf an jeder Vorderpfote, vier Zehen und eine Daumenkralle die weiter oben am Bein sitzt und den Boden nicht berührt, und vier Zehen an jeder Hinterpfote. Über die Daumenkralle heißt es, sie ist ein Überbleibsel der Evolution die heute keine wichtige Funktion mehr erfüllt. Vielleicht ist die Polydaktylie die Weiterentwicklung bzw. Rückentwicklung, die dieser Kralle ihre Funktion zurückgibt. Ein „Daumen“ kann sicher beim Greifen der Beute hilfreich sein, beim Greifen von Spielzeug ist er es.
Katzen mit Polydaktylie haben bis zu 7 Krallen pro Pfote, als voll entwickelte Zehen oder vorne auch als Daumenkralle. Die zusätzlichen Krallen/Zehen sind entweder nur an den Vorderpfoten, was in der Regel durch ein „P“ im Katzennamen angezeigt wird, oder an Vorder- und Hinterpfoten, was an einem „PP“ im Katzennamen zu erkennen ist.
Die polydaktylen Hinterpfoten erinnern an Schneeschuhe, und können damit im harten Winter in Maine durchaus Sinn gemacht haben, um mit den dickeren Pfoten weniger im Schnee einzusinken. Das erklärt auch, weshalb sich die Polydaktylie in der freien Wildbahn so gut durchgesetzt hat, in der Anfangszeit der Maine Coon Zucht waren ca. 40% der Maine Coon Katzen Polydaktyl.
Da es jedoch schwierig war, den US-amerikanischen Dachverbänden eine „Bauernhofkatze“ mit diesem bis dahin in der Rassekatzenwelt nicht vorhandenen Merkmal als Rassekatze nahezubringen, wurde beschlossen, die Anerkennung dieser Variante auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Zur Zucht waren sie immer zugelassen, weshalb sich diese Besonderheit bis heute in der Rasse gehalten hat. Die Zulassung zu Ausstellungen erfolgte erst in der letzten Zeit und nur bei einigen Verbänden.
An den Vorderpfoten sind die zusätzlichen Zehen meistens als „Daumen“ (thumb), auch „Fäustling“ (mitten) genannt, mit einem oder mehreren zusätzlichen seperat abgesetzten Zehen zur Körpermitte hin angelegt. An den Hinterpfoten findet man die „Hamburger“ (patty) oder „Schneeschuh“ (snowshoe) Pfoten, eine breitere Pfote an der die zusätzlichen Zehen weitgehend identisch zu den vier Standardzehen angelegt sind. Seltener findet man auch vorne die „Patty“ bzw. „Snowshoe“ Pfoten. Die Zehenanzahl kann an jeder Pfote unterschiedlich sein, ist aber entweder an beiden Vorderpfoten oder an allen vier Pfoten verändert, niemals nur an einer Pfote oder nur an den Hinterpfoten.
Die bei der Maine Coon verbreitete Form der Polydaktylie nennt man auch Hemingway-Form, da der Schriftsteller Ernest Hemingway in seinem Haus eine Population solcher polydaktyler Katzen hielt.
Polydaktylie kann es nur geben, wenn mindestens ein Elternteil ebenfalls mehr Zehen hat. In der Regel vererbt sich die Anzahl und Verteilung der Zehen dann ähnlich wie beim Elternteil, mit nur geringen Abweichungen. Von Großeltern oder weiter entfernten Verwandten kann es nicht vererbt werden, da jede Katze die das Gen für Polydaktylie trägt, es auch optisch zeigt, das Gen kann nicht verdeckt weiter vererbt werden.
1998 habe ich das erste Mal Poly Katzen live bei einem Züchterbesuch gesehen. Anfangs fand ich noch, dass sie „seltsam“ aussehen, weil die dicken Pfoten natürlich als außergewöhnlich ins Auge fallen. Erst 2009 als ich auf einen Wurf wartete in dem Poly möglich war, konnte ich mich mit dem Gedanken anfreunden „notfalls“ ein Polykitten zu nehmen. Aus Neugier habe ich mich immer wieder mit dem Thema beschäftigt und mir die Katzen genauer angesehen. Als dann 2016 Lubaya als Kitten in eine andere Zucht ziehen sollte, verliebte ich mich aus der Ferne in den dort lebenden Zuchtkater Zale und in seine Polyfüße. Mit seiner Tochter Olala zog 2018 die erste Polykatze bei mir ein, und seitdem wächst meine Liebe für dieses Merkmal immer mehr.
Oft heißt es, Polys haben ein ganz besonderes Wesen. Für mich ergibt dies keinen Sinn, Pfoten und Charakter vererben sich unabhängig voneinander. Zu meiner ersten Polykatze Olala kann ich sagen, sie hat ein sehr besonderes Wesen, nämlich das von ihrem Opa Floh, der keine Polyfüße hat. Auch in ihren Kindern erkenne ich die Charaktere der Vorfahren wieder, unabhängig von deren Zehenanzahl. Jedes Kitten hat für mich ein besonderes und individuelles Wesen, egal ob es mehr oder weniger Zehen hat.
© Dieser Text stammt von Britta Singethan und ist nicht zum kopieren freigegeben.